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Wie gelingt es, „berührbar“ zu bleiben?

Vieles, was Menschen in helfenden Berufen tagtäglich erleben, ist nicht „normal“, beziehungsweise sollte nicht zur Normalität werden.

Die Arbeitswoche neigt sich dem Ende und mein Kopf raucht etwas von den vergangenen Tagen.

Wie so oft habe ich tiefe Einblicke in unterschiedliche Arbeitsfelder im Sozial- und Gesundheitsbereich erhalten. Ich bin immer wieder beeindruckt, was vielerorts geleistet wird, um Menschen in besonderen Lebenslagen zu unterstützen. Themen, die in privaten Gesprächsrunden erschüttern und irritieren würden, werden offen im geschützten Rahmen der Supervision geteilt. Fachkräfte berichten von täglichen beruflichen Herausforderungen und sprechen auch über ihre ganz menschliche persönliche Betroffenheit. Vieles, was Menschen in helfenden Berufen tagtäglich erleben, ist nicht „normal“, beziehungsweise sollte nicht zur Normalität werden. – Auch, wenn es die Realität vieler Menschen ist.

Ich freue mich, wenn ich sehe, dass sich Fachkräfte auch nach vielen Jahren Berufserfahrung immer noch berühren lassen können. Wenn es ihnen gelungen ist, sich dies zu bewahren und sie sich kein dickes Fell oder einen Schutzpanzer zugelegt haben, der alles von ihnen abhält und gleichzeitig jede menschliche Reaktion verhindert.

Es ist eine Kunst in einer besonders herausfordernden Situation sachlich, mit kühlem Kopf und professionell zu agieren.

Und dann – zu einem späteren Zeitpunkt – den eigenen Gefühlen und ganz menschlichen Reaktionen Raum zu geben. Supervision kann solch einen Raum bieten. Ein zeitlich und räumlich abgesteckter Rahmen, in vertrauter Runde. Losgelöst vom Alltagsbetrieb kann darüber gesprochen werden, was bestimmte Begegnungen oder Informationen in einem ausgelöst haben oder was noch nachklingt. Gefühle werden in Worte gefasst. Unterschiedliche Emotionen und Gedanken werden geteilt. Es entsteht Raum, um die Perspektive der anderen zu hören. Das Geteilte, das ganz subjektive Gefühl des Einzelnen, die persönlichen Gedanken werden genau so stehen gelassen, wie sie geäußert wurden. Erst danach wird das Thema noch einmal von einer arbeitsbezogenen Ebene aus betrachtet und es wird reflektiert, wie man damit fachlich umgehen möchte und was hieraus für die Zukunft abgeleitet werden kann.

Supervision ist keine Wunderwaffe.

Und auch kein Allheilmittel. Dennoch glaube ich fest daran, dass Supervision ein Instrument sein kann, das dazu beiträgt, den beruflichen Alltag zu bewältigen und den Zugang zu seinen ganz menschlichen, persönlichen und emotionalen Anteilen zu pflegen. Ich erlebe es immer wieder, dass das Teilen der eigenen Perspektive – neben der fachlichen Bereicherung – auch dazu beiträgt, dass Vertrauen und Zusammenhalt im Team wachsen. Und besonders in Arbeitsfeldern, in denen man mit seiner Persönlichkeit arbeitet, ist dieses Getragen werden durch das Team ein wichtiger Schlüssel, um durchzuhalten, um Hoffnung zu bewahren und optimistisch auf zukünftige Herausforderungen zu schauen.

Vor einigen Wochen habe ich ein neues Team von Erziehern und Sozialarbeitern übernommen.

Das Team wirkt sehr frisch und dynamisch. Es besteht vor allem aus Fachkräften, die noch am Anfang ihres Berufslebens stehen. Ich habe mich gefreut, dass alle „Bock auf Supervision“ haben. Sie sehen den Wert darin, sich auszutauschen, sich zu hinterfragen, sich anstoßen zu lassen und gemeinsam an ihrer Fachlichkeit zu arbeiten. Ich habe den Eindruck, dass hier eine Generation heranwächst, die den Wert der Reflexion schätzt und auch bereit dazu ist, ihre Gefühle zu zeigen. Ich wünsche diesen jungen Menschen, dass sie sich dies in ihren zukünftigen Berufsjahren bewahren und hoffe, dass ich auf diesem Weg ein guter Begleiter sein kann.